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03.10.2024

Was hat die Darm-Hirn-Achse mit der Gesundheit zu tun?

Im Darm blüht das Leben – und das hat Folgen. Die Darmflora (Darmmikrobiota) – also die Gesamtheit der Mikroorganismen, die in unsrem Darm sitzt – wirkt sich nicht nur auf unsere Verdauung aus. Sie kann auch unseren Stoffwechsel und sogar unser Gehirn beeinflussen. Die wechselseitige Kommunikation zwischen Darm und Gehirn bezeichnen Fachleute als Darm-Hirn-Achse. Genauer müsste es eigentlich Darmflora-Darm-Hirn-Achse heißen.

Was ist die Darmflora genau?

Die Darmflora umfasst hauptsächlich Bakterien, aber auch Archaeen (Urbakterien), einzellige Parasiten, Pilze und Viren. Dabei leben die meisten unserer winzigen Mitbewohner im (Dick-)Darm. Geschätzt sind es 500 bis 1000 verschiedene Bakterienarten, wobei jeder Mensch seine ganz individuelle Darmflora besitzt. Bestimmte Bakteriengruppen oder ihre Fähigkeiten können unsere Gesundheit unterstützen. Aber eine „gesunde Darmflora“ kann durchaus unterschiedlich zusammengesetzt sein. Das beruht auf regionalen und kulturellen Unterschieden – und wird zu einem großen Teil durch die Ernährung beeinflusst.
Früher wurde behauptet, es gäbe im menschlichen Körper zehn Mal so viele Bakterien, wie der Mensch Körperzellen besitze. Heute gehen Fachleute von einem Verhältnis von etwa 1:1 aus – sie schätzen die Bakterienzahl (betrachtet wird dabei ein „Standardmann“) auf zirka 39 Billionen und die der Körperzellen auf ungefähr 30 Billionen.

Wozu sind die Darmbakterien gut?

Unsere Darmbakterien erfüllen zahlreiche Aufgaben:

  • Sie können die Verdauung unterstützen. Beispielsweise können sie Ballaststoffe abbauen, die für uns Menschen unverdaulich sind.
  • Bestimmte Darmbakterien können Vitamine (B, K) herstellen.
  • Sie können Krankheitserreger verdrängen.
  • Sie können unser Immunsystem anregen.
  • Beim Abbau der Ballaststoffe produzieren sie unter anderem kurzkettige Fettsäuren (Essigsäure, Propionsäure, Buttersäure).
    • Diese regen die Darmbewegung (Peristaltik) an und können so Verstopfungen vorbeugen.
    • Die kurzkettige Fettsäure Buttersäure (Butyrat) ernährt die Zellen der Darmschleimhaut und erhält sie gesund.
    • Insbesondere Butyrat wirkt antientzündlich.
  • Sowohl die bakteriell hergestellten kurzkettigen Fettsäuren als auch Milchsäure (von Milchsäurebakterien) säuern das Darmmilieu an und machen so Krankheitserregern „das Leben sauer“.
  • Stoffwechselprodukte der Bakterien wie unter anderem die kurzkettigen Fettsäuren, aber auch bakteriell produzierte Botenstoffe dienen als Signalmoleküle und beeinflussen so auf vielerlei Wegen den menschlichen Stoffwechsel.

Wie kommunizieren Darmbakterien mit unserem Gehirn?

Wenn wir vor Prüfungen ein flaues Gefühl im Magen verspüren und vermehrt die Toilette aufsuchen müssen, bemerken wir die Verbindung zwischen Hirn und Darm ganz besonders. Wie Fachleute schon länger wissen, ist eine wichtige Verbindung zwischen beiden Organen der sogenannte Vagusnerv. Er verbindet viele wichtige innere Organe mit dem Gehirn und steuert insbesondere unbewusste Körperfunktionen wie die Atmung.

Der Darm besitzt ein eigenes Nervensystem, das enterische Nervensystem oder „Bauchhirn“. Es besteht aus etwa 100 Millionen Nervenzellen und zieht sich entlang des kompletten Magen-Darm-Traktes. Wahrscheinlich leitet der Vagusnerv deshalb etwa 80 Prozent der Informationen vom Darm zum Gehirn und nur 20 Prozent in umgekehrter Richtung.

Weiterhin können von Bakterien abgegebene Moleküle beispielsweise über den Blutweg entfernte Organe oder das Gehirn erreichen – vorausgesetzt, sie können die Blut-Hirn-Schranke passieren. Zum Beispiel gibt es Bakterien, die GABA (Gamma-Aminobuttersäure) produzieren können, die im Gehirn beruhigend wirkt. Ob GABA in nennenswerter Menge aus dem Blut ins Gehirn gelangen kann, ist unklar. Aber die Wirkung kann über den Vagusnerv vermittelt werden. Denn auch im Darm sitzen Rezeptoren für GABA. Dockt GABA hier an, können lokale Schmerzen – wie beispielsweise beim Reizdarmsyndrom – gedämpft anstatt ungefiltert ins Gehirn weitergeleitet werden.

Darmbakterien beeinflussen sogar Gefühle

Versuche mit Mäusen ergaben eindeutige Zusammenhänge zwischen Darmbakterien und Psyche: Wurde die Darmflora von ängstlichen Mäusen in keimfreie Mäuse – also Mäuse ohne Darmflora – übertragen, entwickelten diese ebenfalls ein ängstliches Verhalten. Und erhielten steril aufgezogene Mäuse die Darmflora depressiver Menschen, entwickelten die Mäuse ebenfalls ein Depressions-ähnliches Verhalten.

Die Wirkung „guter“ Darmbakterien macht man sich bei der Behandlung von Depressionen zunutze: Bekamen depressive Menschen zu ihren Antidepressiva zusätzlich ein Probiotikum, also ein Präparat mit lebenden Bakterien, schlug die Behandlung besser an als mit Antidepressiva und einem Scheinmedikament (Placebo). Während der Probiotika-Einnahme verbesserte sich auch die Darmflora der Betroffenen.

Aber nicht nur die Psyche wird von der Darmflora beeinflusst: Bestimmte Darmbakterien können ein Eiweiß produzieren, das in der Struktur einem menschlichen Sättigungshormon ähnelt. Das Eiweiß kann an die gleichen Rezeptoren wie das Hormon binden und zu einem verstärkten Sättigungsgefühl führen. Das ist für die Gewichtsregulation interessant.

Darm und psychische Erkrankungen

Viele neurologische oder psychische Erkrankungen gehen mit einer gestörten Darmflora, einer Dysbiose, einher. Nicht immer ist klar, ob das Ursache oder Wirkung der Krankheiten ist. Allerdings: Menschen mit chronischen Magen-Darm-Erkrankungen haben ein erhöhtes Risiko für psychische Erkrankungen – und umgekehrt. Auch neurodegenerative Krankheiten scheinen mit Darmbakterien zusammenzuhängen.

Ein Beispiel ist Parkinson. Bei der Erkrankung, die nur zu einem kleinen Teil genetisch bedingt ist, lagert sich ein krankhaft verändertes Eiweiß (Synuclein) im Gehirn ab. Oft tauchen diese Eiweißplaques zuerst im Darm auf. Zudem leiden viele Parkinson-Betroffene bereits Jahre vor den motorischen Symptomen an Verstopfungen. Offensichtlich ist bei ihnen die Darmflora anders zusammengesetzt als bei gesunden Menschen – und könnte Verursacher der typischen Eiweißplaques sein, die dann ins Gehirn gelangen.

Gesunde Darmflora pflegen

Genetische Veranlagungen können wir nicht ändern, aber wir können unsere Darmflora durch eine gesunde Lebensweise unterstützen. Dazu gehört allen voran die Ernährung: „Gute“ Darmbakterien lieben Ballaststoffe. Deshalb sollten wir uns ballaststoffreich ernähren: Gemüse, insbesondere Hülsenfrüchte und Vollkornprodukte sind gute Quellen dafür. Mit Zucker, Weißmehl und gesättigten Fetten sowie viel Fleisch fördern wir dagegen eine ungünstige Zusammensetzung unserer Darmbakterien.

„Gute“ Darmbakterien reagieren auf starken Stress ungünstig. Ihre Zahl nimmt dann ab. Deshalb ist es ratsam, chronischen Stress – wenn möglich – zu vermindern oder zu lernen, damit besser umzugehen. Und auch regelmäßige Bewegung kann eine gute Darmflora unterstützen.

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Quellen:

Bonaz B et al. The Vagus Nerve at the Interface of the Microbiota-Gut-Brain Axis. Front Neurosci. 2018 Feb 7; 12: 49. https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC5808284/

Cryan JF et al. The Microbiota-Gut-Brain Axis. Physiol Rev. 2019 Oct 1;99(4):1877-2013. https://journals.physiology.org/doi/full/10.1152/physrev.00018.2018

Déchelotte P et al. The Probiotic Strain H. alvei HA4597® Improves Weight Loss in Overweight Subjects under Moderate Hypocaloric Diet: A Proof-of-Concept, Multicenter Randomized, Double-Blind Placebo-Controlled Study. https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC8227740/

https://www.spektrum.de/lexikon/ernaehrung/das-enterische-nervensystem/2530

https://www.spektrum.de/magazin/beginnt-parkinson-im-darm/1678244

https://www.tagesschau.de/wissen/gesundheit/darm-hirn-achse-100.html

https://www.unibas.ch/de/Aktuell/News/Uni-Research/Gute-Bakterien-gegen-Depressionen.html

Hyland NP & JF Cryan. A gut feeling about GABA: focus on GABAB receptors. Front Pharmacol. 2010 Oct 4; 1: 124. https://www.frontiersin.org/journals/pharmacology/articles/10.3389/fphar.2010.00124/full

Sender R et al. Revised Estimates for the Number of Human and Bacteria Cells in the Body. PLoS Biol. 2016 Aug 19; 14(8): e1002533. https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC4991899/

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